Stark: Ein großer Mann hat einmal gesagt: Wir erschaffen unsere eigenen Dämonen.
(Iron Man 3)
Obwohl sich die „Iron Man“- und „Avengers“-Filme vordergründig um Superhelden drehen, verschwimmen die Grenzen zwischen heldenhafter Technik und monsterartiger Technik, die dem Menschen zur Gefahr wird. So kann die Iron Man-Rüstung in falschen Händen eine große Gefahr darstellen. Ivan Vanko erfindet eine ähnliche Rüstung und greift damit Menschen an. Selbst Stark treibt auf seiner Geburtstagsparty viel Unsinn mit der Iron Man-Rüstung und verliert die Kontrolle. Nicht nur der Iron Man-Anzug, sondern auch die Avengers werden von der Politik als gefährlich eingestuft. Zugegeben, Hulk ist Avenger-Held und Monster zugleich und ist selbst für seine Freunde eine Bedrohung. Besonders stark kommen die Monsterfantasien in den „Avengers“-Filmen zum Ausdruck, wo die Roboterarmeen der Feinde bestialischen Tieren oder Fabelwesen ähneln.
Jeffrey Jerome Cohen (1996) (Die Aussagen zur Monstertheorie in den nächsten beiden Absätzen beziehen sich auf Cohen (1996)) zeigt mit sieben Thesen zur „Monster Culture“ auf, wie die verschiedenen Monster in Literatur und Film Aufschluss über unsere Kultur geben. Sie ziehen sich schon seit der Antike durch die Geschichte (z. B. Zombies, Vampire, Werwölfe, Frankenstein, das Ungeheuer von Loch Ness, Hydra oder Skylla). Das Monster entpuppt sich als eine Projektion unserer Ängste und Sorgen, Begierden und Sehnsüchte. Es lebt in einer entfesselten Welt, ist nicht an die Gesetze von Raum und Zeit gebunden und entzieht sich unseren traditionellen Kategorien von Ethnie, Kultur, Geschlecht und Sexualität. Cohen bezeichnet dies als „ontologische Liminalität“ (1996: 6) des Monsters. Dabei bewacht es als eine Art Grenzwächter die Grenzen, die es selbst überschreitet: Es warnt die Zuschauer/-innen oder Leser/-innen davor, bei Grenzüberschreitung selbst zu Monstern zu werden, d. h. abstoßend und missgestaltet, unzivilisiert, animalisch und sexuell entartet, gefühlslos, ohne Tugend und geistige Stärke.
Dazu wird in den Körper des Monsters Differenz eingeschrieben: kulturelle, ethnische, geschlechtliche oder sexuelle Andersheit (z. B. weibliche böse, verführerische Monster in einer frauenfeindlichen Kultur; dunkelhäutige, unzivilisierte Monster, um sich von einem anderen Volk abzusetzen). Nicht selten hatten Monster in der Geschichte die Funktion, Herrschaft zu legitimieren, die Vertreibung eines Volkes zu rechtfertigen oder repressive Sexualmoral durchzusetzen. Sie müssen in dem historischen, sozialen, politischen und kulturellen Kontext untersucht werden, in dem sie entstanden sind. Auf diese Weise ist das Monster Kultur pur. Doch im gleichen Maße wie das Monster abstößt, zieht es auch an und wird Projektion von Begierden und Sehnsüchten (wie die Helden). Die entfesselte Welt des Monsters gibt Raum für gewaltvolle, sexuelle, unkonventionelle Fantasien, für die in der Gesellschaft kein Platz ist.
Während Stark und Dr. Bruce Banner mit künstlicher Intelligenz basteln, erschaffen sie versehentlich selbst ein Monster. Ultron wird im zweiten „Avengers“-Film zur großen Gefahr für die Menschheit. Welche Differenz wird in ihn eingeschrieben? Ultron ist so, wie man sich böse, verselbstständigte künstliche Intelligenz vorstellen könnte: ein dunkel gepanzertes, roboterartiges Technikmonster, von der Statur einem Menschen ähnlich, aber ohne organische Grundlage, das gefühlslos ist und ein Normen- und Wertesystem hat, welches nicht mit unserer Gesellschaft verträglich sind. Ist nicht auch Ultron ein unserer Kultur entspringendes Monster, das Grenzen bewacht? Es zeigt unsere Angst vor einer künstlichen Intelligenz, die sich der menschlichen Kontrolle entzieht und das Menschsein überwindet. Es warnt vor einer unpersönlichen, kriegerischen Roboterwelt ohne soziale Gemeinschaft und Natur. Unterstützt wird dies in den „Avengers“-Filmen durch viele posthumane Visionen.
Als Stark und Banner ein zweites Mal mit künstlicher Intelligenz experimentieren, gelingt es ihnen schließlich, den Androiden Vision zum Schutz der Menschheit zu erschaffen. Vision sieht einem Menschen viel ähnlicher als Ultron (z. B. Augen), ist liebesfähig (Beziehung mit Wanda Maximoff) und wird zum Helden, der sein Leben für die Menschen opfert. Untermalt wird dies mit bibelähnlichen Aussagen wie „Ich bin auf der Seite des Lebens“ (Avengers 2). Allen Ernstes zitiert Vision in der deutschen Version sogar Exodus 3,14:
Vision: Ich bin nicht Ultron, ich bin nicht J.A.R.V.I.S. Ich – bin – der – ich – bin. (Avengers 2)