Cyber-Krieg und Populismus – Korrelative Herausforderungen für Deutschland und Europa

Zwei Sorgen wurden seit der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl immer wieder mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 artikuliert: mögliche Hackerangriffe im Vorfeld des Urnenganges und der Parlamentseinzung einer Partei mit starken populistischen Strömungen. Nun liegt die Wahl hinter uns: Die AfD ist mit einem zweistelligen Ergebnis im Bundestag vertreten und die Cyber-Bedrohungen – mithin die Gefahr militärischer Angriffe im Cyber-Raum – bestehen fort. Daher lohnt sich ein Blick auf die korrelativen Beziehungen zwischen beiden Herausforderungen: Cyber-Krieg und Populismus.

Cyber-Krieg als politische Herausforderung

Dass eine sicherheits- bzw. verteidigungspolitische Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen notwendig ist, steht außer Frage. Jedoch besteht gegenwärtig die deutliche Tendenz zu einer einseitigen digitalen Aufrüstung. Dies birgt drei Kernherausforderungen:

Erstens gerät das Internet als Raum ziviler Nutzung in Gefahr. Daher müssen bei allen Entscheidungen berechtigte Sicherheitsinteressen gegen Freiheitsrechte der Nutzer abgewogen werden. Zweitens sind Angreifer im Netz nur schwer identifizierbar, sodass „Gegenschläge“ unter besonderem Vorbehalt stehen. Dies stellt vor allem die Mandatierung und Kontrolle von Einsätzen vor schwierige Fragen. Drittens unterliegen „Kampfhandlungen“ im Cyber-Raum ebenso wie herkömmliche gewaltsame Auseinandersetzungen den Mechanismen von Wettrüsten und Konfliktverschärfung.

Vor dem Hintergrund derartiger Herausforderungen hat Annegret Bendiek in ihrer Studie zur „Sorgfaltsverantwortung im Cyberraum“ drei Leitgedanken für eine angemessene Cyber-Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt: „Europäische Zusammenarbeit: Einbindung nationaler Politiken in den europäischen Rahmen, Inklusivität: breite, offen zugängliche Repräsentation unterschiedlicher Interessengruppen in der Politikformulierung, Zivilität: Vorrang der zivilen gegenüber der militärischen Komponente“ .

Cyber-Bedrohungen und Populismus

Konzepte, die sich diesen Ideen verpflichtet sehen, haben es unter den Bedingungen einer öffentlichen Debatte, die zunehmend von populistischen Positionen beeinflusst wird, deutlich schwerer, Rückhalt zu gewinnen. Hierzu drei wesentliche Gesichtspunkte:

Erstens besteht eine unmittelbare Überschneidung von Populismus und Cyber-Bedrohungen, wo die digitale Infrastruktur in problematischer Weise zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung genutzt wird. Bei Cyber-Angriffen auf kritische Infrastruktur und der digitalen Verbreitung von Propaganda haben wir es mit Phänomenen zu tun, denen zwar auf unterschiedlichen Wegen zu begegnen ist, die jedoch beide auf die Erosion gesellschaftlicher und politischer Strukturen abzielen können.

Zweitens dienen tatsächliche und empfundene Bedrohungen zur Untermauerung populistischer Positionen. Es braucht nicht zu verwundern, wenn Cyber-Angriffe durch Populisten instrumentalisiert werden, wo es darum geht, das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Politik an sich und die deutsche bzw. europäische im Besonderen zu untergraben.

Drittens steht zu befürchten, dass eine Verschärfung der öffentlichen Debatte über Sicherheitsfragen ihrerseits digitales Wettrüsten und Versicherheitlichung des Cyberraums befördert. Denn, die Muskeln spielen zu lassen, ist eine vielversprechende Möglichkeit, dem verängstigten Volk Sicherheit zu suggerieren. Für Annegret Bendiek machen sich bereits in den aktuellen Strategien der EU Versicherheitlichung und Militarisierung bemerkbar. Infolgedessen entwickle sich „relativ eigenständig ein Markt, nämlich ‚security as a service’, dessen Kehrseite ‚crime as a service’ ist“ .

Notwendige Reflexionen

Wie kann dieser doppelten Herausforderung innerhalb des öffentlichen Diskurses begegnet werden? Was Not tut, ist die nachhaltige Dekonstruktion des gängigen öffentlichen Redens vom Cyber-Krieg.

Hierzu haben Ben Wagner und Kilian Vieth mit ihrem Aufsatz „Was macht Cyber? Epistemologie und Funktionslogik von Cyber“ bereits einen wichtigen Anstoß gegeben. Sie stellen fest: „Die konstruierte Konkurrenz“ zwischen Cyberraum und realer Welt „hat es nie gegeben, die Unterscheidung von virtuell und real ist eher eine gesellschaftliche Konvention, keine aus Strukturen ableitbare Gegebenheit“. Hieraus resultiert für sie die politische Mobilisierungfunktion des Cyber-Begriffs, „indem er etwas Neues und bisher noch nicht Dagewesenes suggeriert, wofür entsprechend auch neue Ressourcen mobilisiert werden müssen“ . Eine ihrer Schlussfolgerungen lautet: „Anstatt ständig in luftigen Höhen über ein sehr praktisches Phänomen zu sprechen, wäre es daher viel sinnvoller über den praktischen Umgang mit Cyber zu sprechen, also was Menschen tatsächlich machen wenn sie Cyber sagen.“

Übertragen auf das Phänomen Cyber-Krieg würde dies bedeuten, ihn nicht zu einem von konventionellen Konflikten losgelösten Phänomen bzw. einer fremdartigen Bedrohung zu stilisieren. Vielmehr sollte in der öffentlichen Debatte geklärt werden:

  • Wo bestehen strukturelle Parallelen zwischen konventionellen und Cyber-Bedrohungen, wo hingegen tatsächlich neue Herausforderungen?
  • Welche bereits bestehenden Mechanismen der Konfliktprävention und -behebung können übertragen, welche weiterentwickelt, welche neu geschaffen werden?

Eine derartige Rückkehr der Besonnenheit in den Diskurs könnte dann letztlich auch populistischen Angstszenarien den Wind aus den Segeln nehmen.

Tilman Asmus Fischer studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Geschichte, Kulturwissenschaft und evangelische Theologie. Als freier Autor schreibt er über politische, zeitgeschichtliche und theologische Themen.

Grundpositionen und Kommunikationsstrategie der Partei „Alternative für Deutschland“ in der Beurteilung

Studie des ICS Münster und des zem::dg München/Eichstätt stellt tiefgreifende Differenzen der AfD zu christlichen Grundoptionen heraus

Wie verhalten sich grundlegende Positionen, politische Zielsetzungen und die Kommunikationsstrategien der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu den Positionen der katholischen Soziallehre? Dieser Fragestellung ging ein Team des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften in Münster (ICS) zusammen mit unserem Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft (zem::dg) nach. Neben dem Grundsatz-, sowie dem Bundestagswahlprogramm der Partei wurden dabei auch die Kommunikationsstrategie der Partei anhand einer Analyse ausgewählter Reden von ParteifunktonärInnen sowie ihrer Social Media-Strategie untersucht.

Das AutorInnen-Team – bestehend aus Marianne Heimbach-Steins, Alexander Filipović, Josef M. Becker, Maren Behrensen und Theresa Wasserer – zeigt, dass in vielen Bereichen maßgebliche Differenzen zwischen den gegenübergestellten Positionen bestehen.

Programm und Kommunikationsstrategie der AfD als Thema der Medienethik

Als medienethische Herausforderung kann dabei primär der Umgang der AfD mit den so genannten Social Media betrachtet werden: So nutzt die AfD soziale Netzwerke (vor allem Facebook) sehr intensiv und erzielt deutlich mehr Resonanz auf diesen Plattformen als andere Parteien. Im Gegensatz zu anderen Parteien lassen sich hierbei für die AfD Echokammereffekte nachweisen. AfD-Sympathisanten auf Facebook bilden eine homogene, nur innerhalb „rechter“ Gruppierungen vernetzte Gemeinschaft. Problematisch hieran ist, dass Echokammern und Filterblasen gesellschaftlich gesehen eine antidiskursive Wirkung attestiert werden kann.

Der Umgang der Medien und der Journalisten mit der AfD ist schwierig – die Problematik wurde jüngst von Bernd Gäbler beschrieben, der (Mit-)Autor einer in Kürze veröffentlichten Studie der Otto-Brenner-Stiftung ist. Wie in unserer ICS/zem::dg-Expertise geht es offenbar in der Studie ebenfalls um die Bestimmung eines kritischen Begriffs des Populismus und dessen kommunikationsstrategische Umsetzung (siehe dazu den Beitrag beim Deutschlandfunk).

Ziel der Untersuchung

Ausgangspunkt für die Vergleichsstudie waren eine Bitte und Anregung der Bevollmächtigten der katholischen Bischöfe gegenüber den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das Ziel der Untersuchung ist es, Orientierungen für eine christlich fundierte Urteilsbildung und Hilfestellungen für den Umgang mit inhaltlichen und kommunikativen Herausforderungen anzubieten, denen Christinnen und Christen in der Auseinandersetzung mit den Positionen und dem Politikstil der AfD begegnen.

Vom Team des zem::dg haben Alexander Filipović (Co-Leiter des zem::dg, Lehrstuhl für Medienethik München) und Theresa Wasserer (Lehrstuhl für Medienethik München) mitgearbeitet. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in der Reihe der Sozialethischen Arbeitspapiere des ICS (ICS-AP Nr. 8) veröffentlicht.

Die vollständige Studie, eine Zusammenfassung sowie weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des ICS.