Wenn Science-Fiction Realität wird: Wie Roboter unseren Alltag verändern

Wie stellen wir uns Roboter vor? Der menschenähnliche Roboter, wie er im Film dominiert, ist in der Realtiät eher die Ausnahme ...

Wenn wir von Robotern sprechen, denken wir auch heute noch in erster Linie an Science-Fiction-Romane. Oder an mittelmäßige Hollywood-Streifen à la Terminator. Kein Wunder, dass die Hoffnungen und Befürchtungen, die dem Thema entgegenschlagen breiter nicht sein könnten: Während auf der einen Seite die diffuse Angst vor „Killermaschinen“, die die Existenz der gesamten Menschheit bedrohen könnten, vorherrscht, sieht die andere Seite Roboter als Heilsbringer, die die Menschheit von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit befreien.

Doch wie sieht die Realität tatsächlich aus?
Wohin könnten die Entwicklungen gehen?

Je nachdem, wie man den Begriff „Roboter“ definiert, sind Roboter schon heute in vielen Haushalten fester Bestandteil unseres Alltags: Vom „Rasenmäh-Roboter“ über den „Staubsauger-Roboter“ bis hin zum Kühlschrank, der bei Bedarf selbst Lebensmittel, die zur Neige gehen, nachbestellt, sind uns entsprechende Maschinen nicht fremd. Mit menschenähnlichen Robotern, wie wir sie aus Filmen oder Büchern kennen, haben diese (relativ einfachen) Geräte jedoch nicht viel zu tun. Vielleicht fällt es uns auch aus diesem Grunde so leicht, uns an ihre praktischen Funktionen zu gewöhnen.

Dass mit diesen so unscheinbaren Alltagshelfern durchaus größere ethische Fragestellungen einhergehen, verliert man dabei schnell aus dem Blick. Dabei sind zahlreiche Aspekte, wie etwa welche Daten durch die heimischen Roboter erhoben werden und was mit diesen geschieht/geschehen darf, bis heute nicht endgültig geklärt.

Auch in der Industrie – in der unter dem Stichwort „Arbeit 4.0“ oder „Industrie 4.0“ das Thema „Robotik“ ein Schlagwort geworden ist – haben und halten Roboter sukzessive Einzug. Automatisierung, Autonomisierung, Flexibilisierung und Individualisierung sind Kennzeichen der „Smart Factory“, die effizient und effektiv agieren und reagieren soll (Bendel, 2015, S. 750).

Die große Befürchtung, dass durch Industrieroboter und –anlagen sukzessive immer mehr Arbeitsplätze vernichtet werden, dominiert dabei immer wieder die Schlagzeilen. Umgekehrt können gerade in Arbeitsbereichen, in denen Arbeitskräfte fehlen, wie etwa dem Pflegesektor, Roboter eine deutliche Entlastung darstellen. Dass mit dem Einsatz von Robotern speziell im sozialen Bereich, in dem das zwischenmenschliche Miteinander von großer Bedeutung ist, jedoch auch nicht als Patentlösung angesehen werden kann und in der Umsetzung durchaus auch kritisch reflektiert werden muss, sollte dabei selbstverständlich sein (Beck, 2013, S. 7).

Sicherlich ist unser Eingangsbeispiel – der Roboter als „Killermaschine“ – sehr drastisch gewählt. Blickt man jedoch auf die aktuellen Entwicklungen im militärischen Kontext, wird deutlich, dass es gar nicht so sehr aus der Luft gegriffen ist. Drohnen, die ferngesteuert Ziele anvisieren können, stellen nur einen ersten Schritt hin zu einem vollautomatisierten Waffensystem dar. Derartige Entwicklungen werfen große ethische Fragestellungen auf, die es mit Blick auf den rasanten technischen Fortschritt zu diskutieren gilt (Weidlich, 2013, o. S.).

Dürfen Maschinen töten? Roboter und Moral

Das Einsatzgebiet von Robotern wird breiter – und dringt bis in unseren Alltag vor. Zudem werden Roboter und roboterähnliche Maschinen immer „intelligenter“. Künstliche Intelligenz, also Maschinen, die aufgrund von „Erfahrungen“ selbst lernen und ihre Handlungsabläufe anpassen können, sind bereits heute Realität. Doch was bedeutet das für moralische Fragestellungen? Können wir es zulassen, dass Maschinen über Leben und Tod entscheiden?

Mit dem selbstfahrenden Auto gelangten entsprechende Fragestellungen zunehmend in die Öffentlichkeit. Wie schwierig die Entscheidungen, um die es hierbei u. a. geht, zu treffen sind, wird etwa in dem Projekt „Moral Machine“ (http://moralmachine.mit.edu/hl/de) des Massachusetts Institute of Technology deutlich: Hier können Nutzer unterschiedliche Dilemmata, auf die selbstfahrende Autos treffen könnten, virtuell durchspielen. Im Anschluss an die eigene Entscheidung kann man sein Urteil mit dem von anderen Teilnehmer_innen vergleichen und diskutieren.

Selbstfahrendes Auto von Google. Von Michael Shick - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44405988

Eine andere Frage nach der Moral der Maschinen wirft u. a. das Stichwort „Roboterjournalismus“ auf. Schon heute werden Algorithmen dazu eingesetzt, um Sportnachrichten oder Börsenberichte zu verfassen. Doch wie steht es um Roboterjournalismus, wenn komplexere Inhalte berichtet werden sollen? Wie können Roboter entscheiden, welche Nachrichten für die Leser_innen, für die Gesellschaft wirklich relevant sind? Fragen wie diese zeigen, dass wir trotz all der technischen Potentiale, die mit den Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz einhergehen, Robotern – gerade wenn es um komplexere, ethische Fragestellungen geht – die Kompetenz der Entscheidungsfindung (noch) nicht zutrauen.

Doch was würde es umgekehrt bedeuten, wenn Roboter tatsächlich dazu in der Lage wären, moralische Entscheidungen zu treffen? Wie müssten wir mit Robotern in diesem Falle umgehen? Was wir in der Science-Fiction-Literatur unter dem Thema „Roboter-Rechte“ in naiver Faszination gelesen haben, müsste dann auch in der Realität zu diskutieren sein (Bendel, 2016, S. 189 ff.).

 

Veranstaltungstipp: International Research Conference Robophilosophy 2018

Bereits in diesem kurzen Abriss wurde deutlich, dass das Thema „Robotik“ zahlreiche Fragen aufwirft.

Welche konkreten Auswirkungen die Robotik auf die Gesellschaft haben kann, das wird auf der „International Research Conference Robophilosophy 2018 / TRANSOR 2018“ aus primär geisteswissenschaftlicher Sicht diskutiert. Aktuelle Forschungsergebnisse werden dort mit starkem Praxisbezug präsentiert.

So lauten die drei Hauptziele der Veranstaltung:

  • „present interdisciplinary Humanities research in and on social robotics that can inform policy making and political agendas, critically and constructively
  • investigate how academia and the private sector can work hand in hand to assess benefits and risks of future production formats and employment conditions.
  • explore how research in the Humanities, including art and art research, in the social and human sciences, can contribute to imagining and envisioning the potentials of future social interactions in the public space.“

Die Konferenz findet vom 14.-17. Februar 2018 an der Universität Wien statt.

Weitere Informationen und Anmeldung finden Sie auf der Veranstaltungsseite der Universität Wien.

Die Moral der Maschinen

Rückblick auf den Katholischen Medienkongress 2017

„Es ist erst der Anfang …“, unter diesem Titel fand der Katholische Medienkongress Anfang dieser Woche in Bonn statt. Und der Titel war programmatisch: Nicht nur beschrieb er treffend die inhaltliche Fokussierung der einzelnen Panels; vielmehr schien er auch die Teilnehmenden dazu zu ermutigen, optimistisch in die Zukunft zu blicken, um die Digitalität wertestiftend mit zu gestalten.

Das wurde auch in unserem Panel deutlich. Das Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft war Pate des sehr gut besuchten Panel 3 „Die Moral der Maschinen“ und somit auch für dessen Gestaltung verantwortlich. Während Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen das Panel moderierte, bereicherte Prof. Dr. Alexander Filipović die Diskussion mit seiner philosophischen Perspektive auf das Thema. Neben den beiden Leitern des zem::dg trugen Nele Heise, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Referentin an der Universität Hamburg und Prof. Dr. Petra Grimm, Dozentin für Medienforschung und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart und Leiterin des Instituts für Digitale Ethik mit ihren Perspektiven zu einer differenzierten und praxisnahen Auseinandersetzung mit dem Thema bei.

"Welches Mediensystem haben wir und welches Mediensystem brauchen wir?"

Diese zentrale Frage beherrschte das spannende Gespräch sowie die Podiumsdiskussion. Denn dass es bei allem technischen Fortschritt immer auch um die Frage nach uns selbst und wie wir uns eine gute und lebenswerte Gesellschaft vorstellen geht, das stand im Zentrum all der vielfältigen und inspirierenden Stellungnahmen zum Thema. Algorithmen dominieren – in all ihrer Vielseitigkeit – immer stärker unser Leben. Das wirft wichtige ethische Fragestellungen auf. Diese Feststellung war bei allen Panel-Teilnehmern Konsens. Doch wie können und sollten wir hiermit umgehen? Können Algorithmen reguliert werden? Und was bedeuten Algorithmen für Begriffe wie „Medienkompetenz“ und „Medienbildung“? Dass gerade in diesem Bereich auch ein kreativer und produktiver Zugang hilfreich ist, betonte Nele Heise. Sie verwies hierzu exemplarisch auf die Projekte „Creative Gaming“ und „Jugendhackt“.

Das Panel zeigte auf, wie wichtig Transparenz, Datensicherheit und aber auch verantwortungsvolle Geschäftsmodelle der Medien- und Technologieanbieter sind. Dass die Kirchen als Impulsgeber hierbei eine wichtige Rolle spielen, wurde hier – aber auch bei den anderen Veranstaltungen des Kongresses – deutlich.

Es ist erst der Anfang – und noch haben wir die Möglichkeit, die Weichen zu stellen. Dass hierzu auch der medienethische Blick von zentraler Bedeutung ist, das betonte Reinhard Kardinal Marx in seinem Abschlusswort zum Kongress und nannte hierzu als positives Beispiel den Lehrstuhl für Medienethik in München.

Der Katholische Medienkongress 2017: Ein wichtiger Impulsgeber für mehr Sensibilität und Bewusstsein im Umgang mit den digitalen Medien.

Cyber-Krieg und Populismus – Korrelative Herausforderungen für Deutschland und Europa

Zwei Sorgen wurden seit der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl immer wieder mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 artikuliert: mögliche Hackerangriffe im Vorfeld des Urnenganges und der Parlamentseinzung einer Partei mit starken populistischen Strömungen. Nun liegt die Wahl hinter uns: Die AfD ist mit einem zweistelligen Ergebnis im Bundestag vertreten und die Cyber-Bedrohungen – mithin die Gefahr militärischer Angriffe im Cyber-Raum – bestehen fort. Daher lohnt sich ein Blick auf die korrelativen Beziehungen zwischen beiden Herausforderungen: Cyber-Krieg und Populismus.

Cyber-Krieg als politische Herausforderung

Dass eine sicherheits- bzw. verteidigungspolitische Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen notwendig ist, steht außer Frage. Jedoch besteht gegenwärtig die deutliche Tendenz zu einer einseitigen digitalen Aufrüstung. Dies birgt drei Kernherausforderungen:

Erstens gerät das Internet als Raum ziviler Nutzung in Gefahr. Daher müssen bei allen Entscheidungen berechtigte Sicherheitsinteressen gegen Freiheitsrechte der Nutzer abgewogen werden. Zweitens sind Angreifer im Netz nur schwer identifizierbar, sodass „Gegenschläge“ unter besonderem Vorbehalt stehen. Dies stellt vor allem die Mandatierung und Kontrolle von Einsätzen vor schwierige Fragen. Drittens unterliegen „Kampfhandlungen“ im Cyber-Raum ebenso wie herkömmliche gewaltsame Auseinandersetzungen den Mechanismen von Wettrüsten und Konfliktverschärfung.

Vor dem Hintergrund derartiger Herausforderungen hat Annegret Bendiek in ihrer Studie zur „Sorgfaltsverantwortung im Cyberraum“ drei Leitgedanken für eine angemessene Cyber-Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt: „Europäische Zusammenarbeit: Einbindung nationaler Politiken in den europäischen Rahmen, Inklusivität: breite, offen zugängliche Repräsentation unterschiedlicher Interessengruppen in der Politikformulierung, Zivilität: Vorrang der zivilen gegenüber der militärischen Komponente“ .

Cyber-Bedrohungen und Populismus

Konzepte, die sich diesen Ideen verpflichtet sehen, haben es unter den Bedingungen einer öffentlichen Debatte, die zunehmend von populistischen Positionen beeinflusst wird, deutlich schwerer, Rückhalt zu gewinnen. Hierzu drei wesentliche Gesichtspunkte:

Erstens besteht eine unmittelbare Überschneidung von Populismus und Cyber-Bedrohungen, wo die digitale Infrastruktur in problematischer Weise zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung genutzt wird. Bei Cyber-Angriffen auf kritische Infrastruktur und der digitalen Verbreitung von Propaganda haben wir es mit Phänomenen zu tun, denen zwar auf unterschiedlichen Wegen zu begegnen ist, die jedoch beide auf die Erosion gesellschaftlicher und politischer Strukturen abzielen können.

Zweitens dienen tatsächliche und empfundene Bedrohungen zur Untermauerung populistischer Positionen. Es braucht nicht zu verwundern, wenn Cyber-Angriffe durch Populisten instrumentalisiert werden, wo es darum geht, das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Politik an sich und die deutsche bzw. europäische im Besonderen zu untergraben.

Drittens steht zu befürchten, dass eine Verschärfung der öffentlichen Debatte über Sicherheitsfragen ihrerseits digitales Wettrüsten und Versicherheitlichung des Cyberraums befördert. Denn, die Muskeln spielen zu lassen, ist eine vielversprechende Möglichkeit, dem verängstigten Volk Sicherheit zu suggerieren. Für Annegret Bendiek machen sich bereits in den aktuellen Strategien der EU Versicherheitlichung und Militarisierung bemerkbar. Infolgedessen entwickle sich „relativ eigenständig ein Markt, nämlich ‚security as a service’, dessen Kehrseite ‚crime as a service’ ist“ .

Notwendige Reflexionen

Wie kann dieser doppelten Herausforderung innerhalb des öffentlichen Diskurses begegnet werden? Was Not tut, ist die nachhaltige Dekonstruktion des gängigen öffentlichen Redens vom Cyber-Krieg.

Hierzu haben Ben Wagner und Kilian Vieth mit ihrem Aufsatz „Was macht Cyber? Epistemologie und Funktionslogik von Cyber“ bereits einen wichtigen Anstoß gegeben. Sie stellen fest: „Die konstruierte Konkurrenz“ zwischen Cyberraum und realer Welt „hat es nie gegeben, die Unterscheidung von virtuell und real ist eher eine gesellschaftliche Konvention, keine aus Strukturen ableitbare Gegebenheit“. Hieraus resultiert für sie die politische Mobilisierungfunktion des Cyber-Begriffs, „indem er etwas Neues und bisher noch nicht Dagewesenes suggeriert, wofür entsprechend auch neue Ressourcen mobilisiert werden müssen“ . Eine ihrer Schlussfolgerungen lautet: „Anstatt ständig in luftigen Höhen über ein sehr praktisches Phänomen zu sprechen, wäre es daher viel sinnvoller über den praktischen Umgang mit Cyber zu sprechen, also was Menschen tatsächlich machen wenn sie Cyber sagen.“

Übertragen auf das Phänomen Cyber-Krieg würde dies bedeuten, ihn nicht zu einem von konventionellen Konflikten losgelösten Phänomen bzw. einer fremdartigen Bedrohung zu stilisieren. Vielmehr sollte in der öffentlichen Debatte geklärt werden:

  • Wo bestehen strukturelle Parallelen zwischen konventionellen und Cyber-Bedrohungen, wo hingegen tatsächlich neue Herausforderungen?
  • Welche bereits bestehenden Mechanismen der Konfliktprävention und -behebung können übertragen, welche weiterentwickelt, welche neu geschaffen werden?

Eine derartige Rückkehr der Besonnenheit in den Diskurs könnte dann letztlich auch populistischen Angstszenarien den Wind aus den Segeln nehmen.

Tilman Asmus Fischer studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Geschichte, Kulturwissenschaft und evangelische Theologie. Als freier Autor schreibt er über politische, zeitgeschichtliche und theologische Themen.

Die Zukunft von E-Learning – Digitale Medien an Schulen

Duolingo, Babbel, Tinycards, CrashCourse – das Angebot an Lernplattformen und internetbasierten Sprach-Apps ist riesig. Die Nutzerzahlen sprechen für eine hohe Popularität dieser Angebote. Wäre es da nicht möglich diese Popularität zu nutzen? Sollte man aus dieser Popularität lernen und durch E-Learning, also den Einsatz digitaler Medien in Lehrprozessen, diese zu fördern und zu verbessern? Denkbare Nutzungsfälle sind zum Beispiel der Schulunterricht und individuelle Förderung bei Lernschwächen. Bei aller notwendigen Sachkritik an Lerninhalten, spricht einiges dafür, der Option des E-Learnings nicht mit Scheu, sondern Neugierde zu begegnen.

Die Frage der Verbesserung von Lernangeboten durch digitale Medien wurde schon oft gestellt und war vielfach Anlass zur Untersuchung der Frage, wie effektiv digitale und mediale Lehr- und Lernangebote tatsächlich sind. Die Ergebnisse dieser Studien sind vielfältig und natürlich auf unterschiedlichste Fragestellungen bezogen, zeigen aber eine klare Tendenz, die den Schluss zulässt, dass die Einbindung digitaler Medien in Lehrkonzepte durchaus hohes Potenzial bietet.

Dabei kann nicht a priori und pauschal gesagt werden, ob E-Learning wirkt oder nicht. Die angemessenste und zugegebenermaßen auf den ersten Blick recht unbefriedigende Aussage wäre wohl: „Es kommt drauf an!“ Es gilt nämlich, eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, die den Prozess und letztlich das Resultat beeinflussen.

Fürs Erste kann man sich dabei auf drei primäre Fragen konzentrieren:

  1. Welches Medium wird genutzt?
  2. In welchem Rahmen wird es genutzt?
  3. Von wem wird es auf Seiten der Lehrenden und Lernenden jeweils genutzt?

So kann es je nach Unterrichtskonzept förderlich sein, die Klasse, geschlossen oder in Gruppen (möglicherweise sogar als Wettbewerb), mit einem Videospiel zu konfrontieren, in dem es darum geht Aufgaben durch den Einsatz von erlerntem Fachwissen zu lösen und Fortschritte zu machen. In anderen Situationen bietet sich die Möglichkeit, Videomaterial in den Unterricht einzubeziehen, oder Lern-Apps zu verwenden, um Hausaufgaben aufzugeben.

Aus den Ergebnissen der Untersuchungen lassen sich einige Kriterien für die effektive Nutzung von E-Learning-Werkzeugen ableiten: Die genutzten Medien müssen altersgerecht entwickelt sein und den Fähigkeiten der Schüler entsprechen, diese also weder über-, noch unterfordern. Mittels adaptiv gestalteter Programme wäre es sogar möglich, gezielt auf den Fortschritt und die Stärken und Schwächen einzelner Schüler einzugehen und herauszufinden, wo Förderungsbedarf besteht und wo nicht. Direktes Feedback über die eigenen Leistungen nach jeder erfüllten Aufgabe hätte zudem positive Auswirkungen auf das Selbstwirksamkeitsempfinden der Schüler und somit auf ihr Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wichtig ist bei all dem auch, dass darauf geachtet wird, dass die Lehrkraft mit dem Medium vertraut ist und in der Lage ist, souverän damit umzugehen.

Die mögliche Sorge, digitale Lehrmethoden könnten Lehrerinnen und Lehrer als Personen obsolet machen, sollte aber nicht aufkommen. Es geht weder darum, den Beruf des Lehrers abzuschaffen, noch den Schüler auf sich allein zu stellen.

Im Gegenteil: Ausgerechnet Blended Learning Ansätze, also eine Kombination aus digitalen Angeboten und Präsenz, Anleitung und Feedback von Lehr- und Fachkräften, haben sich als besonders wirksam erwiesen. Digitale Medien sollen dem Lehrenden also nicht die Arbeit abnehmen, sondern vielmehr dabei helfen, diese effektiver und facettenreicher zu gestalten.

Über das Didaktische hinaus hat die Verwendung von digitalen Medien insbesondere an Schulen den weiteren Effekt, dass sie dabei hilft, den „digital divide“, also die Kluft zwischen Jungen und Mädchen in der Nutzung und im Umgang mit digitalen Medien, weiter zu schließen. Die Nutzung von digitalen Medien in digitalen Lernformaten vermittelt Kompetenzen, die im Alltag und in späteren Situationen von entscheidender Bedeutung sein werden. So zum Beispiel in Ausbildung, Beruf oder im Studium, wo computergestütztes Arbeiten und Recherche mittels Onlinedatenbanken längst zum Standard gehören.

Letztlich handelt es sich bei Konzepten wie E-Learning und dem entsprechenden Einsatz digitaler Medien um ein äußerst komplexes und situationsabhängiges, aber auch ein äußerst vielversprechendes Themengebiet, für das es keine universell anwendbare Formel gibt.

Demnach sollte an diese Option mit Neugier und nicht mit Scheu herangegangen werden, um Angebote zu schaffen, die nicht nur neusten Stand der Technik entsprechen, sondern auch möglichst gute Ergebnisse in Aussicht stellen und realistische Perspektiven schaffen.

Nicolas Kanzleiter studiert im Masterprogramm Psychologie an der Hochschule Fresenius München und forscht zum Themengebiet ‚Digitalisierung‘, ‚Digitale Medien‘, ‚Psychologie‘ und ‚Bildung‘.

„Daten alleine gewinnen keine Wahlen!“ Eine kritische Analyse der Berichterstattung zur Psychometrie im Wahlkampf

Die Debatte um psychometrische Analysen von Wählerinnen und Wählern im US-Wahlkampf erzeugt vor der Bundestagswahl 2017 auch in Deutschland immer wieder Wellen der Aufmerksamkeit. Sie ist durchsetzt von der subtilen Macht der Manipulation – allerdings nicht nur, wie meist angenommen, durch die dunklen, hyperintelligenten Datenmächte, sondern auch durch plausible, aber fragwürdige Narrative in der Berichterstattung. Eine kritische Analyse von Thema und Präsentation ist angesagt.

Seit Hannes Grassegger mit einem Artikel über die Datenfirma Cambridge Analytica das Thema der Psychometrie auf die Agenda gesetzt hat, wird die Frage der Datennutzung regelmäßig diskutiert – mal mit beruhigendem Tonfall („Da ist gar nichts Neues dabei!“) und mal mit alarmistischem Tonfall („Alles ist neu und die Welt geht den Bach runter!“).

Mindestens zwei Ebenen sind auseinander zu halten: 1. Was ist technisch möglich und wird in den verschiedenen Lebensbereichen eingesetzt? Und 2. Welche Rolle haben diese Technologien politisch in der US-Wahl gespielt? Die Grundthese dieser Reflektion ist, dass 1. technisch schon beeindruckend viel möglich ist, aber 2. die Rolle dieser Technologien in der US-Wahl 2016 sehr klein und nicht wahlentscheidend war.

Stanford-Professor Michael Kosinski, der in Grasseggers Artikel zur Methodik digitaler Psychometrie befragt wird, sorgte kürzlich für eine neue Welle der Empörung. Algorithmen, so Kosinski, könnten bald die politische Orientierung und den IQ vom Gesicht eines Wählers ablesen. Dass so etwas möglich ist, zeigte er mit einem hier beschriebenen Algorithmus, der in 81 Prozent der Fälle die sexuelle Orientierung von Männern richtig erkennen konnte. Sollten diese Technologien tatsächlich praktisch einsatzfähig werden, stellen sich eine ungeheure Menge an digitalethischen Fragen, die noch nicht im Ansatz hinreichend erforscht sind.

Für das Verständnis des politischen Einflusses der schon genutzten Technologien wie das Microtargeting auf Facebook hilft eine Einordnung in die langfristige Entwicklung weiter. Auch nach einer Reihe von kritischen Antworten auf Grasseggers Artikel in Deutschland und den USA hält sich leider in der einschlägigen Berichterstattung die Ansicht, es sei die Trump-Kampagne gewesen, die das Microtargeting von Facebook, das schon seit Jahren von Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren genutzt wird, zum ersten Mal in die Politik gebracht hätte. Das ist falsch.

Obama und Clinton haben beide seit vielen Jahren umfangreiche Datenteams im Einsatz. Viele der Ideen im digitalen Wahlkampf beruhen auf Lifetargeting-Strategien, die schon von Bill Clinton und George W. Bush verwendet wurden, sind seit über einem Jahrzehnt im Standard-Repertoire aller politischen Kampagnen in den USA. (Das einschlägige Buch dazu ist Applebee’s America: How Successful Political, Business, and Religious Leaders Connect with the New American Community. Es wurde 2007 von Clinton-Berater Doug Sosnik und Bush-Berater Matthew Dowd mit dem Journalisten Ron Fournier veröffentlicht.) Schon 2004 begannen die Demokraten das Internet als Raum zu verstehen, in dem die Kampagnen der Zukunft entschieden werden würden. Nicco Mele, Digitalstratege der Kampagne von Howard Dean, war einer der Pioniere in der Nutzung von digitaler Technologie und Social Media, und hat damit das politische Fundraising und die amerikanische Politik revolutioniert. Auch die Obama-Kampagnen griffen auf die Erfahrung aus Meles Arbeit für die Dean-Kampagne zurück.

Mele leitet mittlerweile das Shorenstein Center für Medien und Politik an der Harvard-Universität und hat ein Buch darüber geschrieben, wie das Internet den vermeintlichen Underdog David zum neuen Goliath macht. Passagen des Buches lesen sich wie eine Prophezeiung des Erfolgs von Donald Trump. Entsprechend war Mele einer der wenigen, die schon seit Herbst 2015 in einem Blog-Post erklärte, dass die – auch durch digitale Transformation begünstigten – langfristigen Entwicklungen in einem Trump-Gewinn 2016 kulminieren würden. Cambridge Analytica war dafür nicht nötig.

Ein kritischer Blick auf eine spekulationsreiche Debatte in 5 wichtigen Punkten:

1. Cambridge Analytica ist sehr gut in der Vermarktung von wenig Substanz und hat dabei nicht immer die Wahrheit gesagt.

Die New York Times schrieb im Juni 2017 über die Unstimmigkeiten in den Erzählungen der Vertreter von Cambridge Analytica. Diese gestehen jetzt ein, dass „die Firma nie Pschometrie in der Trump-Kampagne verwendet hat. Camebridge Analytica wird zwar durch die Werbematerialien der Firma und die Berichterstattung der Medien als Meister der dunklen Kampagnen-Künste präsentiert. Die Technologie bleibt aber unbelegt, so ehemalige Mitarbeiter und Republikaner, die die Arbeit der Firma kennen.“

2. Der Fall zeigt die Manipulierbarkeit der Massen nicht nur in Form von Datennutzung durch Kampagnen, sondern auch durch effektives Storytelling und das Ausnutzen des Belief Bias durch Cambridge Analytica.
Heidi Tworek analysierte im Mai 2017 im Blog des Nieman Labs an der Harvard-Universität: „Mit Cambridge Analytica sind wir gleich wieder bei der alten neuen Vision der Sozialpsychologie und der Massenpsychose, die von Gustave Le Bon in 1895 popularisiert wurde. Die harten Beweise für den Einfluss von Cambridge Analytica sind im besten Fall dubios. Das Unternehmen arbeitete zunächst mit Ted Cruz und wechselte erst zu Trump als Cruz zurückzog.“ Die Firma „hat sich erfolgreich in den Fokus hinein vermarktet. Aber wir bräuchten viel mehr Informationen, um zu wissen, ob ihre Techniken einen kausalen Einfluss hatten. Es gibt Hinweise darauf, dass das Trump-Team die Dienste von Cambridge Analytica in den letzten Wochen der Kampagne nicht einmal in Anspruch genommen hat.“

3. Mitarbeiter von Trumps Kampagne haben von Anfang an gegen das Cambridge-Narrativ angeschrieben, allerdings haben sie in Deutschland keine Resonanz damit gefunden.
Gerrit Lansing, Chief Digital Officer von Trump, hat Nix auf Twittersofort als Lügner gebrandmarkt. Gary Coby, Director of Digital Advertising für Trump, hat auf Twittererklärt, Cambridge sei nicht wahlentscheidend gewesen und Psychographen würden ebenfalls nicht von der Kampagne benutzt. Zwar sind Verlautbarungen von Mitarbeitern der Trump-Kampagne nicht ohne weiteres als gesicherte Information zu verstehen. In der Berichterstattung zum Thema müssten solche Stimmen aber zumindest vorkommen.

4. Was Nix als „psychometrisches Targeting“ beschreibt, ist vor allem Spekulation, die ohne ausreichende Datengrundlage mit einer guten Geschichte Erfolg erzielt hat, weil sie plausibel ist.
Dave Karpf hat mehrere gute Artikel geschrieben, in denen er die Marketing-Aktivitäten von Datenfirmen im Wahlkampf kritisch analysiert. Alle drei protestieren gegen das Reinfallen auf simple Marketing-Tricks und sind Pflichtlektüre für alle, die sich mit dem Thema auseinander setzen: Retrospective WishcastingWill The Real Psychometric Targeters Please Stand UpPreparing for the Campaign Tech Bullshit Season

5. Viele der Datenanalyse-Tools sind in den USA seit Jahrzehnten in Gebrauch und in den letzten Jahren nur graduell verbessert worden. Sie sind keine Wunderwaffe.
Wenn Kritik an Datennutzung in Wahlkämpfen formuliert wird, dann sollte sie unabhängig von Trump formuliert werden, denn die Datenanalyse-Tools wurden in den letzten zwei Jahrzehnten von nahezu allen Kandidaten in nahezu allen Kampagnen in Bund und Ländern in den USA benutzt. Hier spricht Reince Priebus (Vorsitzender des Nationalkommittees der Republikaner während der Trump-Kampagne) über die vielen Millionen Dollar, die sein Team in Daten investiert hat, und die Nutzung dieser Daten, um Orte zu identifizieren, die für Republikaner ungehobene Wählerpotenziale bereit hält. Exklusiv von den Republikanern wurde die Methode des Lifetargetings aber nicht eingesetzt.

Im Gegenteil: Hier spricht Obamas Kampagnenmanager Messina über die umfangreiche Nutzung von Daten in 2012. Auch schon Bill Clinton und George W. Bush haben Techniken des Lifetargetings benutzt, wie es in Applebee’s America von ihren Beratern anschaulich beschrieben wird. Anders als in Deutschland sind diese Verfahren in den USA also seit Jahren gang und gäbe. Einige Insider gehen so weit, Hillary Clintons Daten-Team als „most sophisticated data team in history“ und als Symbol des Versagens von Datenanalyse zu bezeichnen. Die Anzeichen mehren sich, dass Clinton bessere Daten zur Verfügung hatte, diese Daten aber nichts ohne eine „gut values connection“ sind, wie sie von Berater Doug Sosnik beschrieben wird.

Was also können wir aus der US-Wahl 2016 für das Verständnis der technologischen Entwicklung und ihren Einfluss auf Wahlkämpfe wirklich lernen?

Die Analyse von Hillary Clintons Datenoperation um Algorithmus Ada dreht die Logik der Berichterstattung zumindest potenziell auf den Kopf: Nicht Trumps Erfolg wäre ein Ausweis der Effektivität von digitaler Datennutzung, sondern Clintons Misserfolg wäre ein Ausweis für den Mangel an Effektivität von Datennutzung alleine. Allerdings gibt es auch Stimmen, die die Fähigkeiten von Ada anzweifeln.

Selbst wenn die Datenoperationen von Clinton und Trump gleichauf lagen: Technologie ist nicht alles. Der Wert der traditionell wichtigen Talente sollte daher in der Berichterstattung wieder mehr in den Vordergrund rücken. Politische Intuition, das ganz analoge Verstehen der Lebenswelt der Wähler, emotionale Intelligenz und eine robuste Vision für die Zukunft bleiben nach wie vor entscheidend. Daten alleine gewinnen keine Wahlen!

Der Fokus auf Technologie, vermischt mit der inhaltlichen Sympathie für Clinton, verstellt Deutschen zu oft den Blick dafür, dass Donald Trump in diesen Kategorien Hillary Clinton das Wasser reichen konnte. Während New York Times und Huffington Post eine Trump-Wahl für unmöglich erklärten, war Trump in der Lage ohne die Unterstützung dieser mächtigen Medien eine direkte Beziehung zu vielen Menschen in den vergesseneren Regionen der USA zu bauen, die nach nicht durch Technologie, sondern nur durch traditionelles politisches Talent wirklich zu erklären ist.

Das sollte uns zu denken geben.

Prof. Dr. Alexander Filipović im Porträt

Prof. Dr. Alexander Filipović, Leiter des zem::dg Foto: SJ-Bild, Leopold Stübner

Die aktuelle tv diskurs stellt Prof. Dr. Alexander Filipović in einem ausführlichen Porträt vor. In dem Artikel schildert Autor Alexander Grau nicht nur, wie der Leiter des zem::dg seine Leidenschaft für den Gegenstandsbereich der Medienethik fand, sondern auch, welche Perspektiven er auf aktuelle Fragestellungen und Problembereiche hat:

Inwieweit dürfen Journalisten etwa Partei ergreifen? Wie ist Öffentlichkeitsarbeit aus medienethischer Sicht zu bewerten und welche Funktion hat sie für die Gesellschaft?

Fragen wie diesen geht der Artikel nach und zeichnet dabei die persönlichen Sichtweisen des Medienethikers nach. Dass diese keine konkreten Handlunganweisungen beinhalten, sondern vielmehr verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, liegt in seinem Selbstverständnis als Wissenschaftler und Ethiker begründet: „Es ist so etwas wie ein Credo der ethischen Arbeit, dass der Ethiker kein Politiker ist. Er kann und soll Kriterien für mögliche Handlungsoptionen
an das Ende seiner Analyse stellen. Ob diese dann aber umgesetzt werden oder wie, ist nicht mehr Sache des Wissenschaftlers, sondern bleibt der Politik überlassen, die demokratisch legitimiert ist.“

Das vollständige Porträt finden Sie auf der Internetseite der Zeitschrift tv diskurs.

 

Big Data im Diskurs

Was sind die wesentlichen Facetten und Entwicklungen von Smart Health und mHealth und wie hängen sie zusammen? Welche Chancen, welche Risiken sind mit diesen Aspekten verbunden und wie lassen sie sich ethisch bewerten?

Diesen Fragen geht die politische Akademie Tutzing in einem neuen Forschungsprojekt nach und vergibt hierzu Stipendien an motivierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Bereichen IT und Journalismus, Medizin, Philosophie und Rechtswissenschaft sowie Bildung und Sozialwissenschaften.

Ethische Fragestellungen, die mit Big Data auch Einzug in den Medizin- und Gesundheitsbereich genommen hat stehen im Zentrum des Diskurses: Datenschutz, Sanktions- und Manipulationsmöglichkeiten sind hierbei Schlagwörter, die die Schattenseiten der neuen Technik aufzeigen. Wie ist mit diesen umzugehen? Wie stehen sie im Verhältnis zu den Vorteilen, die Big Data für den Gesundheitssektor bedeutet?

Nähere Informationen zum Forschungsprojekt und zur Stipendienausschreibung finden Sie auf der Internetseite der Tutzinger Akademie.

„Arbeit Weiter Denken“ – Das Weißbuch Arbeiten 4.0 aus der Perspektive digitaler Ethik

Mit dem Weißbuch Arbeiten 4.0 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Ergebnis eines umfangreichen Dialogprozesses zum Leitbild der „Guten Arbeit“ in der digitalen Gesellschaft vorgelegt.

Motivation für den Prozess ist die zu beobachtenden Polarisierung der digitalen Transformation der Arbeitswelt. Den einen „Lebensgefühl“, den anderen „Sorge“, schlägt die Digitalisierung eine „Kluft zwischen Menschen, die Freiheit und Flexibilität als Verheißung sehen und solchen, die vor allem Stabilität und Sicherheit wünschen.“ Hier setzt das Weißbuch an und interpretiert „Arbeiten 4.0“ als „Kürzel für die Veränderungen in der gesamten Arbeitswelt und ihre Folgen für die Gesellschaft“ (Andrea Nahles), die es gemeinsam mit Sozialpartnern, Verbänden, Unternehmen und Wissenschaft zu erforschen und gestalten gilt.

Themen des Weißbuchs

Neben „Treibern und Trends“ (Kapitel 1) widmet sich das Weißbuch konkreten „Spannungsfeldern“ in der Arbeitswelt der digitalen Gesellschaft (Kapitel 2) und entwickelt ein Leitbild zur „guten Arbeit im digitalen Wandel“ (Kapitel 3). Daraus abgeleitet, skizziert das Weißbuch acht Gestaltungsaufgaben: Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung, flexible und selbstbestimmte Arbeitszeiten, gute Arbeitsbedingungen im Dienstleistungssektor, Arbeitsschutz im Arbeiten 4.0, hoher Standard im Beschäftigtendatenschutz, Teilhabe und Mitbestimmung im Transformationsprozess, Förderung und Absicherung von Selbstständigkeit, sowie (europäische) Perspektiven für die Zukunft des Sozialstaats. Mit einem Plädoyer für ein aufmerksames, innovatives, partizipatives, recht- und sozialstaatliches „Lernen in und aus der Transformation“ (Kapitel 5) schließt das Weißbuch und kündigt die Fortsetzung des Dialogs getreu dem Motto „Arbeit weiter denken“ an.

Aus dem 232 Seiten starken Analyse-Angebot stechen aus Perspektive digitaler Ethik neben den klassischen Diskursen der Sozialpartnerschaft zwei Punkte heraus, die exemplarisch für das umfangreiche Spektrum der entwickelten Ideen zu nennen sind: die gesellschaftliche Aufgabe der digitalen Bildung, sowie das Themenfeld Generationengerechtigkeit im Transformationsprozess.

Schwerpunkt: Digitale Bildung

Unter dem Stichwort „Digital Literacy“ beschreibt das Weißbuch den „selbstverständlichen Umgang mit Internetquellen wie insgesamt mit neuen, mobilen Computer- und Internetmedien“ als eine „Grundveraussetzung“ für Arbeit in der digitalen Gesellschaft. Auf „nahezu allen Arbeitsplätzen“ seien in Deutschland „digitale Grundkompetenzen erforderlich“, um „die beruflichen Anforderungen“ zu erfüllen. Hieraus ergibt sich die medien- und digitalethische Aufgabe der „aktiven Begleitung der Erwerbstätigen in ihren Veränderungs- und Anpassungsprozessen“.

Angesprochen ist damit auch die Frage der Generationengerechtigkeit, die im Rahmen der digitalen Transformation im Sinne eines „komplementären Lernprozesses“ – um einen Begriff von Jürgen Habermas zu leihen – begriffen werden kann. Das Weißbuch Arbeiten 4.0 begegnet dieser Aufgabe, indem es den Bedarf für eine „umfassende, langfristig ausgerichtete Qualifizierungs- und Weiterbildungsstrategie“ identifiziert und eine „Nationale Weiterbildungskonferenz“ der Bundesregierung, Länder, Sozialpartner und weiteren Akteuren als Ort der Umsetzung vorschlägt. Das Weißbuch identifiziert zudem den Bedarf für ein „flächendeckendes Netz unabhängiger und niedrigschwelliger Beratungsstützpunkte“ und „digitale Assistenz- und Tutorensysteme“, und kündigt die Prüfung von „Weiterbildungsförderung auch im Hinblick auf digitalen Kompetenzen“, sowie die Weiterentwicklung des einschlägigen Beratungsangebots der Bundesagentur für Arbeit an.

Schwerpunkt: Generationengerechtigkeit

Um die „zukunftsfeste Ausgestaltung sozialstaatlicher Leistungen“ unter den Bedingungen der digitalen Gesellschaft generationengerecht voranzutreiben, schlägt das Weißbuch ein „Persönliches Erwerbstätigenkonto“ vor. Drei Vorteile werden genannt:

1. Arbeitnehmergebundene Rechte können durch Langzeitkonten, wie sie schon jetzt von der Deutschen Rentenversicherung gepflegt werden, leichter bei einem Wechsel des Arbeitgebers übertragen werden.

2. Wenn das Konto mit einem zweckgebundenen Startguthaben ausgestattet würde, könnte die „Eigenverantwortung der Beschäftigten“ gestärkt werden, indem so berufliche Weiterqualifizierung, Existenzgründungen, Arbeitsreduzierungen, Sabbatjahre für Erziehung und Pflege, sowie der Übergang in die Selbstständigkeit oder den Ruhestand bedarfsgerecht unterstützt werden.

3. Angesichts der ungleichen Verteilung der Vermögen, die als Erbe in den folgenden Generationen eine Ungleichheit der Chancen bewirken, könnte mit einem Sozialerbe ein „zweckgebundenes Startkapital, das allen jungen Menschen ungeachtet ihrer sozialen Herkunft einmalig vom Staat zur Verfügung gestellt“ wird ein Beitrag zur „Verteilungs- und Generationengerechtigkeit“ geleistet werden, der sich besonders in Phasen der Transformation positiv auswirkt.

Dialog als Partizipation

Das persönliche Fazit von Ministerin Nahles zielt auf „die Chancen der Digitalisierung für Wirtschaft, Beschäftigung und gute Arbeit“ und fordert dabei, „die Sorgen um Arbeitsplatz- und Qualifikationsverlust, Arbeitsverdichtung und Entgrenzung“ ernst zu nehmen. Dem Weißbuch Arbeiten 4.0 gelingt dieser Spagat wie sonst wenigen einschlägigen Publikationen, unter anderem deshalb weil die Analysen der Gremien ergänzt wurden durch einen umfassenden Beteiligungsprozess mit über 50 Stellungnahmen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft, über 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis, einem Kinofestival mit Dokumentarfilmen, Dialogveranstaltungen mit etwa 12.000 Teilnehmern und zahlreichen Begleitprojekten. Aus der Perspektive der Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft ist die partizipative, inklusive Philosophie des Dialogs ausdrücklich zu begrüßen.

Einen Link zum Weißbuch Arbeiten 4.0 finden Sie hier.

Grundpositionen und Kommunikationsstrategie der Partei „Alternative für Deutschland“ in der Beurteilung

Studie des ICS Münster und des zem::dg München/Eichstätt stellt tiefgreifende Differenzen der AfD zu christlichen Grundoptionen heraus

Wie verhalten sich grundlegende Positionen, politische Zielsetzungen und die Kommunikationsstrategien der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu den Positionen der katholischen Soziallehre? Dieser Fragestellung ging ein Team des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften in Münster (ICS) zusammen mit unserem Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft (zem::dg) nach. Neben dem Grundsatz-, sowie dem Bundestagswahlprogramm der Partei wurden dabei auch die Kommunikationsstrategie der Partei anhand einer Analyse ausgewählter Reden von ParteifunktonärInnen sowie ihrer Social Media-Strategie untersucht.

Das AutorInnen-Team – bestehend aus Marianne Heimbach-Steins, Alexander Filipović, Josef M. Becker, Maren Behrensen und Theresa Wasserer – zeigt, dass in vielen Bereichen maßgebliche Differenzen zwischen den gegenübergestellten Positionen bestehen.

Programm und Kommunikationsstrategie der AfD als Thema der Medienethik

Als medienethische Herausforderung kann dabei primär der Umgang der AfD mit den so genannten Social Media betrachtet werden: So nutzt die AfD soziale Netzwerke (vor allem Facebook) sehr intensiv und erzielt deutlich mehr Resonanz auf diesen Plattformen als andere Parteien. Im Gegensatz zu anderen Parteien lassen sich hierbei für die AfD Echokammereffekte nachweisen. AfD-Sympathisanten auf Facebook bilden eine homogene, nur innerhalb „rechter“ Gruppierungen vernetzte Gemeinschaft. Problematisch hieran ist, dass Echokammern und Filterblasen gesellschaftlich gesehen eine antidiskursive Wirkung attestiert werden kann.

Der Umgang der Medien und der Journalisten mit der AfD ist schwierig – die Problematik wurde jüngst von Bernd Gäbler beschrieben, der (Mit-)Autor einer in Kürze veröffentlichten Studie der Otto-Brenner-Stiftung ist. Wie in unserer ICS/zem::dg-Expertise geht es offenbar in der Studie ebenfalls um die Bestimmung eines kritischen Begriffs des Populismus und dessen kommunikationsstrategische Umsetzung (siehe dazu den Beitrag beim Deutschlandfunk).

Ziel der Untersuchung

Ausgangspunkt für die Vergleichsstudie waren eine Bitte und Anregung der Bevollmächtigten der katholischen Bischöfe gegenüber den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das Ziel der Untersuchung ist es, Orientierungen für eine christlich fundierte Urteilsbildung und Hilfestellungen für den Umgang mit inhaltlichen und kommunikativen Herausforderungen anzubieten, denen Christinnen und Christen in der Auseinandersetzung mit den Positionen und dem Politikstil der AfD begegnen.

Vom Team des zem::dg haben Alexander Filipović (Co-Leiter des zem::dg, Lehrstuhl für Medienethik München) und Theresa Wasserer (Lehrstuhl für Medienethik München) mitgearbeitet. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in der Reihe der Sozialethischen Arbeitspapiere des ICS (ICS-AP Nr. 8) veröffentlicht.

Die vollständige Studie, eine Zusammenfassung sowie weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des ICS.

Live-Diskussion zur Digital-Charta auf der re:publica 2017

Wie lässt sich die Souveränität und Freiheit des Einzelnen in der digitalen Welt schützen? Eine Gruppe von 27 Bürgerinnen und Bürger hat sich auf Anregung der ZEIT-Stiftung intensiv mit dieser Frage beschäftigt und über einen Zeitraum von 14 Monaten einen Entwurf zu einer „Charta der Digitalen Grundrechte in der Europäischen Union“ entwickelt.

Am 01. Dezember 2016 wurde das Dokument erstmals veröffentlicht. Hierauf folgte eine intensive Diskussion: Das Dokument wurde kritisiert, hinterfragt, gelobt – und im engen Austausch mit der Öffentlichkeit überarbeitet und angepasst. Über 1.500 Personen haben es seither online unterstützt. Nach dieser ersten Kommentierungsphase folgt nun aktuell die zweite Phase der Online-Konsultation. Jetzt können konkrete Vorschläge zur Überarbeitung oder Umformulierung einzelner Artikel oder Ergänzungswünsche für neue Abschnitte eingereicht werden. Eine derartige Beteiligung ist über die Internetseite der Charta unter https://digitalcharta.eu/neuigkeiten/ möglich.

Das Dokument wird zudem im Rahmen der re:publica 2017 heute, am 09. Mai in Berlin live diskutiert. Von 10:30 Uhr bis 16:00 Uhr soll der aktuelle Textentwurf erörtert und fortentwickelt werden und in einer Diskussion so die Perspektiven für stärkere Grundrechte im digitalen Zeitalter eröffnet werden. Von den Initiatoren werden u. a. Sascha Lobo, Jeanette Hofmann, Johnny Haeusler, Malte Spitz, Wolfgang Kleinwächter und Jan Philipp Albrecht mit dabei sein.

Das Team vom zem::dg unterstützt die Initiative nachdrücklich.